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Corporate Governance / Compliance

Die zunehmender Globalisierung und die Regulierungsfreude der Anglosaxen beidseits des Atlantiks haben uns auch Begriffe wie Corporate Governance und Compliance gebracht. Obwohl sie nicht im Obligationenrecht erwähnt sind und meist schwammig definiert werden, spielen sie in der Schweiz als 'Oberaufsicht' in alle Bereiche der Verwaltungsratstätigkeit hinein. Economiesuisse hat die Gesetzgebung mit dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance als Soft Law thematisch konkretisiert.

Definition und Hintergrund

Synonym verwendete Begriffe:
Unternehmensführung, Überwachung, Oberaufsicht
 
Die ausführliche Definition aus dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance SCBP lautet:
Corporate Governance ist die Gesamtheit der auf das nachhaltige Unternehmensinteresse ausgerichteten Grundsätze, die unter Wahrung von Entscheidungsfähigkeit und Effizienz auf der obersten Unternehmensebene Transparenz und ein ausgewogenes Verhältnis von Führung und Kontrolle anstreben.
Etwas einfacher definiert im englischen Cadbury Report im Sinne von
System der Unternehmensführung und -überwachung ... zuständig ist der Verwaltungsrat.
 
Die Literatur der Corporate Governance ist rund um das Principal-Agent Problem, d.h. dem Interessenkonflikt zwischen Aktionär und (delegierter) Unternehmensführung entstanden. In den 70er und 80er Jahren wurde das Thema akademisch heftig diskutiert, in den 90er Jahren entwickelte sich mit dem englischen Cadbury Report, gefolgt von OECD Richtlinien, Deutschem und Schweizerischem Kodex (2002) und schliesslich dem US-SOX je nach Land eher Softlaw oder Rechtssprechung.

Corporate Governance

Elemente der Corporate Governance

Elemente der Corporate Governance Aufgrund der obigen kurzen Definition der Corporate Governance als System der Unternehmensführung und -überwachung könnte man eigentlich diesen Begriff mit der Verwaltungsratstätigkeit (Oberleitung und Überwachung OR 716a) gleichsetzen. In der Praxis haben sich jedoch einige spezielle Themenkreise wie Entschädigung, Aktionärsrechte, VR-Organisation etc. herausgebildet, welche normalerweise mit Corporate Governance identifiziert werden.
 

Geregelte Bereiche

Neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen für Verwaltungsräte sind in der Schweiz vorallem die SIX Richtlinie (RLCG) und der Swiss Code of Best Practice massgebend. Grösstenteils regeln beide dieselben Themen, einmal als Vorschrift für an der SIX kotierte Gesellschaften, der Swiss Code als Empfehlung für alle Aktiengesellschaften:
 
SIX Richtlinie
  • Konzernstruktur und Aktionariat
  • Kapitalstruktur
  • VR Mitglieder / Interessenverbindungen
  • GL Mitglieder / Interessenverbindungen
  • Entschädigungen, Beteiligungen und Darlehen
  • Ergänzende Angaben falls nicht Vegüv-unterstellt
  • Mitwirkungsrechte der Aktionäre
  • Kontrollwechsel und Abwehrmassnahmen
  • Revisionsstelle Amtsdauer, Honorare, Informationsinstrumente
  • Informationspolitik
Swiss Code of Best Practice
  • Rolle, Rechte und Pflichten Aktionäre
  • Aufgaben des Verwaltungsrats
  • Zusammensetzung
  • Unabhängigkeit
  • Arbeitsweise und Vorsitz des Verwaltungsrats
  • Umgang mit Interessenkonflikten und Wissensvorsprüngen
  • Vorsitz von VR und GL: Personalunion oder Doppelspitze
  • Umgang mit Risiken und Compliance, IKS
  • Ausschüsse des Verwaltungsrats
  • Unabhängigkeit und Aufgaben Externe Revision
  • Offenlegung im Geschäftsbericht
  • Empfehlungen zu Vergütungen
 

Der Verwaltungsrat als Gestalter der Corporate Governance

Vereinfacht kann der Begriff Corporate Governance mit den zwei im OR genannten Verwaltungsratsaufgaben Oberleitung und Überwachung gleichgesetzt werden. Damit ist im Prinzip dem Recht Genüge getan. In der Praxis wird jedoch vorallem bei grösseren Aktiengesellschaften und mehreren Aktionären speziell auf die Themen der Soft Law Regelungen (Swiss Code) Rücksicht genommen. Hier kann der Verwaltungsrat auch branchenspezifisch thematische Schwerpunkte setzen und gestaltend wirken.

Corporate Governance in anderen Ländern

Die Webseite des European Corporate Governance Institute gibt einen einfachen Einblick in die Corporate Governance Vorschriften und Kodices von mehr als 100 Ländern. Inhaltlich interessant ist neben dem englischen zum Beispiel der südafrikanische King IV Report.
 

Compliance

Der oft im gleichen Kontext mit Corporate Governance genannte Begriff der Compliance steht für die
Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften, Standards und internen Regelungen im Unternehmen.

Abgrenzung Begriff Compliance

In der Schweiz sind Corporate Governance und Compliance meist auf der juristischen Seite des Unternehmens angesiedelt (Legal Councel, VR-Sekretär), das Risikomanagement jedoch eher bei zahlen- oder geschäftsnahen Stellen (CFO, Produktion). Dennoch kann Compliance als Teil des operationellen Risikomanagements gesehen werden, sind doch Ziele (Verhinderung von Schäden) und Prozesse (Risiken identifizieren, bewerten, steuern) dieselben. Wird Compliance als System bezüglich rechtlicher Risiken gesehen, wird im schweizerischen Verständnis IKS (Internes Kontrollsystem) oft mit dem System zur Sicherstellung ordentlicher finanzieller Prozesse gleichgesetzt.

Typische Themenbereiche der Compliance

Auch Compliance wird meist über gewisse Themencluster wie Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Normen etc. definiert und bearbeitet. Je nach Unternehmen liegt der Fokus etwas anders gelagert.
 
vr-wissen.ch Themenbereiche Compliance
 

Tone from the Top als Aufgabe des Verwaltungsrates

Den Entscheid über Existenz, Umfang und Inhalt eines formellen Compliance-Systems überlässt der Gesetzgeber dem VR. Im Minimum sollten wohl im Rahmen des IKS auch die Compliance Risiken identifiziert und entsprechende Massnahmen definiert werden. Eine nachvollziehbare Organisation und klare Weisungen und Kompetenzregelungen in den compliance-kritischen Bereichen des Unternehmens (z.B. Kartellrecht, Exportrestriktionen o.a.) entkräften am ehesten den Vorwurf mangelnder Organisation. Studien scheinen jedoch zu belegen, dass insbesondere bei internationalen Konzernen weniger die internen Papierweisungen als vielmehr Tonalität und Durchsetzungswille der obersten Leitung eine entsprechende Compliance garantieren.

Haftung bezüglich Corporate Governance / Compliance

Wohl erscheint der Begriff Compliance als solcher im schweizerischen Recht nicht, dafür ist dessen Definition beinahe wörtlich als 5. nicht delegierbare Aufgabe (OR 716a) zu finden: Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen. Damit ist der Verwaltungsrat klar in der Pflicht - und haftet entsprechend bei nicht-compliance der Unternehmung, respektive der Mitarbeiter. Die Revisionsstelle ist ihrerseits verpflichtet (OR 729b), dem VR oder bei Bedarf der GV Verstösse gegen Gesetze und Regelungen zu melden. Konsequenzen bei Verletzung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Compliance können für den VR sowohl zivilrechtlicher wie strafrechtlicher Natur sein.

Werkzeuge Compliance

Zur Bearbeitung der verschiedenen Themencluster und der Sicherstellung einer hinreichenden Compliance Kultur im Unternehmen gibt es unterschiedlichste Instrumente. Einige von Unternehmen publizierte Dokumente sind beispielhaft in der Liste verlinkt:
 

Markt

Seit der Publikation des Swiss Code of Best Practice werden regelmässig auch Zusammenfassungen zu den Themen Entschädigung (z.B. Ethos Studie), Zusammensetzung des VR (z.B. Schilling Report) oder Aktionärsrechten (diverse Proxy-Adivsors) publiziert. Auch Masterstudenten der verschiedenen (Fach)Hochschulen nehmen diese Themen gerne in ihren Arbeiten auf. Stellvertretend hierfür einige weniger häufig anzutreffende Daten:

Traditionelle Compliance Risiken

Traditionelle Compliance Risiken
Quelle: Daten PWC State of Compliance Survey 2014.

Unterstellung CCO

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Quelle: Daten PWC State of Compliance Survey 2014.
 
 

Diskussions- und Knackpunkte rund ums Thema

  • Die Frage, ob die Nichtbeachtung von Soft Law (z.B. Swiss Code) zu einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann, beantworten die Juristen unterschiedlich. Böckli (Aktienrecht) vermutet, dass Gerichte die Empfehlungen mindestens als Referenzgrösse zur Beurteilung beiziehen könnten.
  • Da Verhaltensregeln zur Compliance im Unternehmen nie abschliessend definiert werden können, bleibt immer ein beachtlicher Anteil Mensch in der Sache. Die Herausforderung für VR und GL besteht deshalb in der Entwicklung einer ensprechenden Kultur im Unternehmen.
 

Weiterführende Literatur und Links

Eine Abgrenzung des weiten Begriffs Corporate Governance versucht Galliker (2008), das Manuskript von Müller (2008) dient als gute Einführung. Weitere (internationale) Informationen gibt es auch unter Marktdaten

Titel / +Details
Autor
Jahr
Q
P
Link
Entwicklung und Bedeutung der Corporate Governance - Manuskript
Müller, Roland
2008
4
4
Gute, praktisch orientierte Kurzeinführung zu Corporate Governance (Intenrnational aber v.a. Schweiz); Ausführungen zum Thema Doppelmandat VRP/CEO.
Seiten: 30
Compliance: Kosten und Nutzen?
Galliker, Jürg
2008
5
5
Guter einführender Artikel. Definiert Compliance und positioniert Begriff anhand von Graphiken und Beispielen
Quelle: www.kpmg.ch
Monat: 7
Seiten: 9
Verlag: KPMG
Effektive Assurance
KPMG
2012
5
4
Umfragedaten zur Ausgestaltung von Risikomanagement, Revision, Compliance, IKS, Qualitätsmanagement in der Schweiz
Monat: 5
Seiten: 32
Verlag: www.kpmg.ch
Der Compliance Officer
Bürkle, Jürgen
2014
Ein Handbuch in eigener Sache
Aufgaben, Profil, Zusammenarbeit mit anderen Stellen, Konzern etc. Deutsche Rechtssprechung.
Land: Gl
Andere Autoren: Christoph E. Hauschka
Seiten: 500
Verlag: C.H. Beck
ISBN: 978-3-406-66298-0
Compliance - rechtliche Grundlagen und Risiken
Bachmann, Daniel
2007
5
4
Kurze Definition Compliance. Gesetzliche Grundlagen, Zusammenhang mit IKS, Risikomanagement, Risiken bei Nichtbeachtung.
Quelle: Treuhänder
Monat: 1
Verlag: www.treuhaender.ch
auf Seite: 93-98
Compliance in a nutshell
Roth, Monika
2015
Kurze Darstellung Bedeutung und gesetzliche Anforderungen
Seiten: 109
Verlag: Dike
ISBN: 978-3-03751-677-5
Integrierte Corporate Governance
Hilb, Martin
2019
4
4
Ein neues Konzept zur wirksamen Führung und Aufsicht von Unternehmen
Hilb beschreibt einmal mehr sein 'Konzept', insbesondere die Rolle des VR als Team, dessen verschiedenen Funktionen sowie (Selbst)Beurteilung.
Seiten: 231
Verlag: Gabler
ISBN: 978-3-662-58795-9
Third Party Due Diligence - nur Etwas für andere Unternehmen?
Ghazvinian, Alexander
2012
5
6
Überprüfung der Reputation ist eine wesentliche Massnahme zur Reduzierung der Compliance-Risiken
Praktischer Artikel zum Umgang mit Risiken mit Drittparteien - auch im Hinblick auf die UK Bribary Act Regulierung.
Quelle: Treuhänder
Monat: 12
Seiten: 5
Verlag: www.treuhaender.ch
Corporate Governance und KMU
Müller, Roland
2004
5
5
Gute Kurzeinführung in die relevanten Corporate Governance-Aspekte für KMU; Organisationsmöglichkeiten; Frage Doppelmandat VRP/CEO.
Quelle: Corporate Governance - Herausforderungen an die Management Kultu
Editor: Vater/Bender/Hildenbrand
Seiten: 18
Swiss Code of best Practice for Corporate Governance
Economiesuisse
2016
5
4
Swiss Code of best Practice for Corporate Governance
Empfehlungen der Economiesuisse zur Corporate Governance von Schweizer Unternehmen (Softlaw)
Editor: www.economiesuisse.ch
Seiten: 24
Verlag: www.economiesuisse.ch
 
Thema
 

Siehe auch...

 

Übersetzung

D
Corporate Governance
Compliance
F
le gouvernement d’entreprise
la compliance (conformité)
I
corporate governance
la compliance
E
Corporate Governance
Compliance
 

Gesetzliche Grundlagen

OR 716a
Aufgaben des Verwaltungsrats
OR 717
Sorgfalts- und Treuepflicht
OR 728a
Internes Kontrollsystem
OR 663
Vergütungen
SIX Governance Richtlinie (RLCG)
Kotierte Gesellschaften

 

Was sagen andere zum Stichwort

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Bücher zum Thema

Martin Hilb ::: Integrierte Corporate Governance Monika Roth ::: Compliance in a Nutshell
 
 
 
 
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