Corporate Governance / Compliance
Die zunehmender Globalisierung und die Regulierungsfreude der Anglosaxen beidseits des Atlantiks haben uns auch Begriffe wie Corporate Governance und Compliance gebracht. Obwohl sie nicht im Obligationenrecht erwähnt sind und meist schwammig definiert werden, spielen sie in der Schweiz als 'Oberaufsicht' in alle Bereiche der Verwaltungsratstätigkeit hinein. Economiesuisse hat die Gesetzgebung mit dem Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance als Soft Law thematisch konkretisiert.
Definition und Hintergrund
Synonym verwendete Begriffe:Unternehmensführung, Überwachung, OberaufsichtCorporate Governance
Elemente der Corporate Governance
Aufgrund der obigen kurzen Definition der Corporate Governance als System der Unternehmensführung und -überwachung könnte man eigentlich diesen Begriff mit der Verwaltungsratstätigkeit (Oberleitung und Überwachung OR 716a) gleichsetzen. In der Praxis haben sich jedoch einige spezielle Themenkreise wie Entschädigung, Aktionärsrechte, VR-Organisation etc. herausgebildet, welche normalerweise mit Corporate Governance identifiziert werden.Geregelte Bereiche
Neben den allgemeinen gesetzlichen Grundlagen für Verwaltungsräte sind in der Schweiz vorallem die SIX Richtlinie (RLCG) und der Swiss Code of Best Practice massgebend. Grösstenteils regeln beide dieselben Themen, einmal als Vorschrift für an der SIX kotierte Gesellschaften, der Swiss Code als Empfehlung für alle Aktiengesellschaften:- Konzernstruktur und Aktionariat
- Kapitalstruktur
- VR Mitglieder / Interessenverbindungen
- GL Mitglieder / Interessenverbindungen
- Entschädigungen, Beteiligungen und Darlehen
- Ergänzende Angaben falls nicht Vegüv-unterstellt
- Mitwirkungsrechte der Aktionäre
- Kontrollwechsel und Abwehrmassnahmen
- Revisionsstelle Amtsdauer, Honorare, Informationsinstrumente
- Informationspolitik
- Rolle, Rechte und Pflichten Aktionäre
- Aufgaben des Verwaltungsrats
- Zusammensetzung
- Unabhängigkeit
- Arbeitsweise und Vorsitz des Verwaltungsrats
- Umgang mit Interessenkonflikten und Wissensvorsprüngen
- Vorsitz von VR und GL: Personalunion oder Doppelspitze
- Umgang mit Risiken und Compliance, IKS
- Ausschüsse des Verwaltungsrats
- Unabhängigkeit und Aufgaben Externe Revision
- Offenlegung im Geschäftsbericht
- Empfehlungen zu Vergütungen
Der Verwaltungsrat als Gestalter der Corporate Governance
Vereinfacht kann der Begriff Corporate Governance mit den zwei im OR genannten Verwaltungsratsaufgaben Oberleitung und Überwachung gleichgesetzt werden. Damit ist im Prinzip dem Recht Genüge getan. In der Praxis wird jedoch vorallem bei grösseren Aktiengesellschaften und mehreren Aktionären speziell auf die Themen der Soft Law Regelungen (Swiss Code) Rücksicht genommen. Hier kann der Verwaltungsrat auch branchenspezifisch thematische Schwerpunkte setzen und gestaltend wirken.Corporate Governance in anderen Ländern
Die Webseite des European Corporate Governance Institute gibt einen einfachen Einblick in die Corporate Governance Vorschriften und Kodices von mehr als 100 Ländern. Inhaltlich interessant ist neben dem englischen zum Beispiel der südafrikanische King IV Report.Compliance
Der oft im gleichen Kontext mit Corporate Governance genannte Begriff der Compliance steht für dieAbgrenzung Begriff Compliance
In der Schweiz sind Corporate Governance und Compliance meist auf der juristischen Seite des Unternehmens angesiedelt (Legal Councel, VR-Sekretär), das Risikomanagement jedoch eher bei zahlen- oder geschäftsnahen Stellen (CFO, Produktion). Dennoch kann Compliance als Teil des operationellen Risikomanagements gesehen werden, sind doch Ziele (Verhinderung von Schäden) und Prozesse (Risiken identifizieren, bewerten, steuern) dieselben. Wird Compliance als System bezüglich rechtlicher Risiken gesehen, wird im schweizerischen Verständnis IKS (Internes Kontrollsystem) oft mit dem System zur Sicherstellung ordentlicher finanzieller Prozesse gleichgesetzt.Typische Themenbereiche der Compliance
Auch Compliance wird meist über gewisse Themencluster wie Vertragsrecht, Arbeitsrecht, Normen etc. definiert und bearbeitet. Je nach Unternehmen liegt der Fokus etwas anders gelagert.Tone from the Top als Aufgabe des Verwaltungsrates
Den Entscheid über Existenz, Umfang und Inhalt eines formellen Compliance-Systems überlässt der Gesetzgeber dem VR. Im Minimum sollten wohl im Rahmen des IKS auch die Compliance Risiken identifiziert und entsprechende Massnahmen definiert werden. Eine nachvollziehbare Organisation und klare Weisungen und Kompetenzregelungen in den compliance-kritischen Bereichen des Unternehmens (z.B. Kartellrecht, Exportrestriktionen o.a.) entkräften am ehesten den Vorwurf mangelnder Organisation. Studien scheinen jedoch zu belegen, dass insbesondere bei internationalen Konzernen weniger die internen Papierweisungen als vielmehr Tonalität und Durchsetzungswille der obersten Leitung eine entsprechende Compliance garantieren.Haftung bezüglich Corporate Governance / Compliance
Wohl erscheint der Begriff Compliance als solcher im schweizerischen Recht nicht, dafür ist dessen Definition beinahe wörtlich als 5. nicht delegierbare Aufgabe (OR 716a) zu finden: Oberaufsicht über die mit der Geschäftsführung betrauten Personen, namentlich im Hinblick auf die Befolgung der Gesetze, Statuten, Reglemente und Weisungen. Damit ist der Verwaltungsrat klar in der Pflicht - und haftet entsprechend bei nicht-compliance der Unternehmung, respektive der Mitarbeiter. Die Revisionsstelle ist ihrerseits verpflichtet (OR 729b), dem VR oder bei Bedarf der GV Verstösse gegen Gesetze und Regelungen zu melden. Konsequenzen bei Verletzung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Compliance können für den VR sowohl zivilrechtlicher wie strafrechtlicher Natur sein.Werkzeuge Compliance
Zur Bearbeitung der verschiedenen Themencluster und der Sicherstellung einer hinreichenden Compliance Kultur im Unternehmen gibt es unterschiedlichste Instrumente. Einige von Unternehmen publizierte Dokumente sind beispielhaft in der Liste verlinkt:- Compliance Reglemente / Handbücher (z.B. Code of Conduct - Syngenta)
- Organisatorische Massnahmen - Panalpina
- Corporate Governance / Nomination Committee - Credit-Suisse
- Interne Integrity Programme - ABB
- Compliance Simulationen
- Whistleblower Organisation - ABB
- Risikomanagement
- Code of Conduct für Lieferanten - Dätwyler
- Kontrollen vor Ort / interne Audits
Markt
Seit der Publikation des Swiss Code of Best Practice werden regelmässig auch Zusammenfassungen zu den Themen Entschädigung (z.B. Ethos Studie), Zusammensetzung des VR (z.B. Schilling Report) oder Aktionärsrechten (diverse Proxy-Adivsors) publiziert. Auch Masterstudenten der verschiedenen (Fach)Hochschulen nehmen diese Themen gerne in ihren Arbeiten auf. Stellvertretend hierfür einige weniger häufig anzutreffende Daten:Traditionelle Compliance Risiken
Unterstellung CCO
Diskussions- und Knackpunkte rund ums Thema
- Die Frage, ob die Nichtbeachtung von Soft Law (z.B. Swiss Code) zu einer aktienrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann, beantworten die Juristen unterschiedlich. Böckli (Aktienrecht) vermutet, dass Gerichte die Empfehlungen mindestens als Referenzgrösse zur Beurteilung beiziehen könnten.
- Da Verhaltensregeln zur Compliance im Unternehmen nie abschliessend definiert werden können, bleibt immer ein beachtlicher Anteil Mensch in der Sache. Die Herausforderung für VR und GL besteht deshalb in der Entwicklung einer ensprechenden Kultur im Unternehmen.
Weiterführende Literatur und Links
Eine Abgrenzung des weiten Begriffs Corporate Governance versucht Galliker (2008), das Manuskript von Müller (2008) dient als gute Einführung. Weitere (internationale) Informationen gibt es auch unter Marktdaten
Siehe auch...
Übersetzung
Compliance
la compliance (conformité)
la compliance
Compliance
Gesetzliche Grundlagen
Aufgaben des Verwaltungsrats
OR 717
Sorgfalts- und Treuepflicht
OR 728a
Internes Kontrollsystem OR 663
Vergütungen
SIX Governance Richtlinie (RLCG)
Kotierte Gesellschaften