Directors and Officers Liability (D&O)

Hier finden Sie eine Übersicht zu Zweck und Funktionsweise von Versicherungen zur Deckung von Schäden aus der Organhaftpflicht (D&O), generelle Literatur sowie Marktdaten und weiterführende Links.

Definition und Hintergrund

Synonym verwendete Begriffe:
Organhaftpflichtversicherung, Managerhaftpflicht, D&O, Directors and Officers Liability Die Organhaftpflichtversicherung gewährt Versicherungsschutz für Organe der Aktiengesellschaft (Verwaltungsrat, geschäftsleitende Personen)

• bei einer Pflichtverletzung in ihrer Tätigkeit (bei Entscheidung und/oder Untätigkeit)
• aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen
• für Schadenersatz von Vermögensschäden des Versicherungsnehmers oder von Dritten.

Die D&O-Versicherung wird von der Unternehmung zugunsten ihrer Organe abgeschlossen. Sie deckt jedoch keine Ansprüche gegen das Unternehmen selbst. Erste D&O Versicherungen entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts in England. Breitenwirkung entfaltete die D&O vorallem in den 80er Jahren aufgrund zunehmender Ansprüche gegenüber Managern. Heute ist die D&O bei grossen Unternehmen Standard. Zunehmend versichern auch grössere KMU ihre Leitungsorgane, insbesondere bei Geschäftstätigkeiten mit besonderen regionalen oder branchentypischen Risiken.

Vertragstypen und Vertragselemente

Versicherungsnehmer und versicherte Personen

D&O Versicherungen werden meist vom Unternehmen selbst zugunsten ihrer Organe abgeschlossen. Versichert sind normalerweise alle früheren, gegenwärtigen und künftigen Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung oder Personen, welche de-facto diese Funktionen ausüben. Einige Anbieter von Organhaftpflichtversicherungen bieten auch Policen für Einzelpersonen an, welche als Verwaltungsrat in Unternehmen ohne entsprechende Deckung tätig sind.

Leistungen

Der D&O-Versicherer übernimmt im Rahmen der Rechtsschutzfunktion folgende Leistungen:

• Abwehr unberechtigter Ansprüche (duty to defend)
• Ersatz des Vermögensschadens aus pflichtwidrigem Handeln oder Unterlassung bzw. Übernahme einer Vergleichszahlung
• Übernahme der Prozesskosten
• Übernahme weiterer vereinbarter Kosten

Zu beachten ist, dass die versicherte Summe in der Regel nur einmal pro Versicherungsjahr zur Verfügung steht, also nicht pro Schadenfall.

Haftungsfälle

Mögliche Klagen im Rahmen der Haftpflicht ergeben sich aus zahlreichen Gesetzesbestimmungen (v.a. OR, AHVG, BVG, ZGB, ATSG) und treten konkret auf als Klagen bezüglich

• Verantwortlichkeit (OR 754)
• Gründungshaftung (OR 753)
• Prospekthaftung (OR 752)
• Ungetreuer Geschäftsbesorgung (StGB 158)
• Nichtigkeit von GV-Beschlüssen (OR 706b)
• Stimmrecht (OR 691 Abs. 3)
• Revisorenhaftung (OR 755)
• Liquidatorenhaftung (OR 754).

Häufige Anlässe für Klagen gegen die Gesellschaftsorgane sind erwartungsgemäss Konkursfälle, Corporate Actions wie Fusionen, Börsengänge, Unternehmensverkäufe oder etwa falsche Gewinnprognosen. Als Kläger treten dabei nicht nur Aktionäre auf, sondern auch Gläubiger, Behörden, Rechtsnachfolger versicherter Personen, Drittpersonen oder im Konkursfall oft auch die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin selbst.

Versicherungssummen und Kosten

Natürlich werden Versicherungssummen und Tarif pro Unternehmen je nach Risikoeinschätzung vom Versicherer individuell festgelegt. Für kleine KMU sind in der Schweiz einfache D&O Policen ab CHF 2-3 Tsd. erhältlich. Mittlere KMUs schliessen Versicherungssummen von CHF 5-20 Mio. zu Prämien von CHF 20-50 Tsd. ab, falls international tätig auch Summen bis CHF 40 Mio.. Börsenkotierte Gesellschaften versichern sich für CHF 50-70 Mio., grössere auch für CHF 100 Mio. oder mehr. Prämien für grosse Unternehmen und Konzerne bewegen sich im sechsstelligen Bereich oder höher. Dabei sind auch Selbstbehalte von 10% der entstandenen Kosten durchaus gängig.

Vertragselemente und Abschluss

In einer Police werden Versicherungsumfang, zeitliche und örtliche Geltungsbereiche, gegenseitige Pflichten und der anzuwendende Tarif festgelegt (s. Beispiel) Die Bestimmungen sind meist umfangreich und kompliziert. Häufig werden für KMU einfachere Formen mit Antragsformular und Onlineabschluss angeboten. Für grössere Gesellschaften nimmt der Abschluss einer D&O Police meist mehrere Wochen in Anspruch und wird oft über spezialisierte Broker organisiert.

Anbieter

Eine Übersicht der Anbieter von D&O Versicherungen in der Schweiz finden Sie in unserer Zusammenstellung für Spezialisten - inklusive Link und Hinweis auf deren Angebot (D&O für Unternehmen oder Einzelpersonen). Natürlich bieten auch viele Brokergesellschaften Dienstleistungen im Bereich Organhaftpflicht an.

Markt

Da weder Versicherer noch die versicherte Unternehmung ein Interesse daran haben, dass zu detaillierte Informationen zur konkreten Vertragsgestaltung publik werden, sind Marktdaten zu D&O Policen und Schadenfällen kaum systematisch und auf regelmässiger Basis öffentlich verfügbar. Statistische Werte können in Publikationen von Beratern, Brokergesellschaften oder in wissenschaftlichen Abhandlungen gefunden werden:

Verbreitung D&O Versicherungen in der Schweiz

Das gesamte Prämienvolumen von D&O Versicherungen in der Schweiz bewegt sich um rund CHF 150 Mio.. Man kann davon ausgehen, dass eine Mehrheit der kotierten Gesellschaften eine Versicherung abgeschlossen haben.

Häufigkeit D&O Streitigkeiten und Schadenfälle

Genaue Daten zur Häufigkeit von Klagen zur Organhaftung sind nur schwer zu finden, da weder Versicherer noch Beklagte ein Interesse an der Publikation solcher Daten haben. Juristen reden von rund 1000-2000 Fällen jährlich vor Gericht. Andererseits geht man davon aus, dass 80-90% der Schadensfälle durch vorgerichtliche Vergleiche gelöst werden. Vor Bundesgericht gab es von 2000-2010 rund 100 Verantwortlichkeitsklagen. Detailliertere Daten zur Organhaftung aus einer Umfrage sind zu finden in der Masterarbeit von Susanne Keller Verantwortlichkeit des Verwaltungsrates.

Preise D&O Versicherung

Recht detaillierte Studien zum US-Markt findet man in der Untersuchung von Towers Watson Directors and Officers Liability Survey 2012. Siehe auch unsere Literaturdatenbank.

Diskussions- und Knackpunkte rund ums Thema

• Ausreichende Deckungssummen - Die Kosten für die Abwehr von Ansprüchen fressen oft grossen Teile der Deckungssummen (Bsp. Swissair mit CHF 150 Mio. Versicherungssumme)
• Hat ein VR-Mitglied Anrecht darauf, die D&O Police der Unternehmung einzusehen? - Die Gelehrten streiten sich.
• Aktionäre und Aussenstehende stören sich daran, dass die betroffene Unternehmung als Versicherungsnehmerin den Schaden teilweise mittelbar selber deckt bzw. durch die Aktionäre tragen lässt; respektive, dass sich die Organe ihre 'Unverantwortlichkeit' versichern lassen können.
• Ursachen und Pflichtverletzungen lassen sich nicht sauber zuordnen. Organisation, Konzernverhältnisse, betriebliche Vorgaben zwingen die Mandatsträger zu einem nicht selbst gesteuerten Verhalten. Häufig wechselnde Führungsstrukturen, dezentrale Organisationen, internationale Verflechtungen führen dazu, dass niemand mehr verantwortlich.

Weiterführende Literatur und Links